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Mit einem Bein im Knast? Wie weit darf Notwehr gehen? (präzise erklärt!)

  • Alexander Lukas
  • 23. Apr. 2024
  • 4 Min. Lesezeit


Rechtssichere Notwehr setzt das richtige Wissen voraus

Notwehr ist eine der wichtigsten Vorschriften für das Sicherheitsgewerbe. Die Definition von Notwehr muss jeder Sicherheitsmitarbeiter zu 100% beherrschen. Doch auch für jeden anderen Bürger ist es wichtig zu wissen, wie weit man gehen darf um sich zu verteidigen


Notwehr (§ 227 BGB, §32 StGB, § 15 OwiG)


§ 227 BGB Notwehr

(1) Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.

(2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.


§ 32 StGB Notwehr.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.


§ 15 OwiG

(1) Wer eine Handlung begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.


„Notwehr ist die Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“

Notwehr ist durch die Paragraphen § 227 BGB, §32 StGB und §15 OwiG gewährt. Der Text der jeweiligen Paragraphen ist nahezu identisch.


„Eine durch Notwehr gebotene Handlung ist nicht widerrechtlich.“

Erleidet der Angreifer durch eine Notwehrhandlung einen Schaden, ist der Verteidiger nicht zu Schadensersatz verpflichtet.

Außerdem darf sich dieser nicht mit Notwehr gegen die Notwehr wehren.


Doch gehen wir den Gesetzestext Schritt für Schritt durch.




„Notwehr ist die Verteidigung...“

Eine Verteidigung ist die Abwehr eines Angriffs, der durch einen Menschen erfolgt. Wichtig ist dabei, der Verteidigungswille. Man muss von der Notwehrsituation wissen und handeln um sich zu verteidigen.



„..welche erforderlich ist...“

Erforderlich ist eine Verteidigung, wenn kein milderes, aber genauso effektives Mittel zur Verfügung steht, dass geeignet ist, den Angriff sofort und ohne Risiko für den Angegriffenen endgültig abzuwehren. (BGH 2 StR 523/15 - 12. 04.2016)


Existiert nur ein Mittel, das geeignet ist, dann ist es erforderlich.


Bei einer Notwehr ist demnach keine sportliche Fairness zu beachten und kein ritterlicher Kampf zu führen. Es muss auch nicht, wie bei der Selbsthilfe, beachtet werden, dass der Schaden, den der Angreifer erleidet, in einem ausgeglichenen Verhältnis zum von ihm angerichteten Schaden steht.


Gerichte haben geurteilt, dass tödliche Gewalt selbst gegen Eigentumsentzug unter die Notwehr fallen kann. Grenzen wurden nur bei sehr geringwertigem Eigentum gezogen. (OLG Stuttgart, Deutsche Rechtszeitschrift 1949, S. 42.)

Außerdem wurde gerichtlich festgestellt, dass tödliche Gewalt zur Durchsetzung eines Wegerechtes nicht legitim ist. (BayObLG, 05.08.1964 = NJW 1965, S. 163)


Die Erforderlichkeit ist sehr individuell und auf den Einzelfall bezogen. Das ist auch gut so, denn jede Notwehrsituation ist anders und muss individuell betrachtete werden.


Dazu einige Beispiele:

Eine zierliche Frau von einem 2 m großen und 130kg schweren Profiboxer angegriffen, der sie vergewaltigen möchte. Eine Verteidigung der Frau mit der Faust kann diesen Angriff nicht risikolos abwehren. Wenn Sie kein anderes Mittel zur Verfügung hat, dürfte sie in diesem Fall ein Messer oder eine Schusswaffe einsetzen.


Im umgekehrten Fall (würde also die Frau versuchen mit bloßen Händen den Profiboxer zu töten), würde eine Ohrfeige des Boxers sicher ausreichen um den Angriff zu stoppen.

Zwei Sicherheitsmitarbeiter laufen an einer U-Bahn Haltestelle Streife. Sie haben zwar Grundkenntnisse in Selbstverteidigung, sind darin aber nicht Sattelfest. Aus einer haltenden U-Bahn steigt eine kräftig aussehende Person aus, die ihrer Kleidung nach ein Hooligan zu sein scheint. Er schiebt sich einen Zahnschutz in den Mund und kommt zielsicher und mit geballten Fäusten auf die zwei Kollegen zu und erweckt unmissverständlich den Eindruck, dass er den Kampf sucht. Die Mitarbeiter sind mit Pfefferspray und Schlagstöcken ausgerüstet. Sie setzen Pfefferspray ein und können den Angreifer so zu zweit zu Boden ringen.


Vielleicht wären die beiden auch ohne das Spray mit ihm fertig geworden, aber mit Sicherheit nicht risikolos. Der Einsatz des Sprays war demnach erforderlich.


 „...um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff...“

Notwehr ist nur erlaubt, wenn der Angriff gegenwärtig ist, also gerade stattfindet oder unmittelbar bevorsteht. Ist der Angriff beendet gibt es kein Notwehrrecht mehr.

Der Angriff muss weiterhin auch rechtswidrig. Hier gilt das selbe Prinzip wie bei der Selbsthilfe des Besitzers. Rechtswidrig ist ein Angriff, wenn es dafür keinen Rechtfertigungsgrund gibt.

Ein Angriff ist übrigens immer eine Handlung eines Menschen. Gegen Tiere oder Gegenstände gibt es kein Notwehrrecht. Auf Tiere und Gegenstände wird im Kapitel „Notstand“ eingegangen.

Der Angriff kann sich generell gegen jedes geschützte Rechtsgut wenden. Alle Rechtsgüter sind „notwehrfähig“.

„..von sich oder einem anderen abzuwenden.“

Notwehr darf man sowohl für sich selbst, als auch für andere anwenden. Wendet man Notwehr für einen anderen an spricht man von Nothilfe. Bei der Nothilfe ist zu beachten, dass man nur helfen darf, wenn die andere Person diese Hilfe auch möchte. Schreit die Person um Hilfe, ist der Fall eindeutig. Aber gerade bei Fällen von häuslicher Gewalt oder Gewalt zwischen Lebenspartnern kann dies kritisch werden.

Würden der angegriffenen Person ohne Hilfe erhebliche gesundheitliche Schäden oder gar der Tod drohen, darf man auch ohne eindeutige Zustimmung helfen. Das gilt auch für den Fall wenn die angegriffene Person bereits in einem solchen Zustand ist, dass sie nicht mehr um Hilfe rufen kann.


Warum gibt es den Notwehrparagraphen drei mal?


Notwehr ist ein Rechtfertigungsgrund. Es erlaubt dem Verteidiger Handlungen zu begehen, die normalerweise entweder Straftaten wären, oder privatrechtlichem Folgen hätten. Durch die drei Paragraphen wird man durch rechtliche Folgen aus allen drei Gesetzbüchern geschützt.

§ 227 BGB schützt vor privatrechtlichen Folgen wie Schadensersatz

§ 32 StGB schützt den Verteidiger vor strafrechtlicher Verfolgung

§ 15 OwiG schützt gegen Geldbußen durch Ordnungswidrigkeiten.


Notwehrprovokation


Wer einen Angriff absichtlich provoziert kann man sich gegen ihn nicht auf Notwehr berufen. In diesem Fall darf man sich nur mit Flucht oder ausweichen wehren.

Erleidet der Angreifer durch eine Notwehrhandlung einen Schaden, ist der Verteidiger nicht zu Schadensersatz verpflichtet.


In Ausnahmefällen kann das Notwehrrecht durch folgende Sachverhalte eingeschränkt werden:



Ist die Notwehr eingeschränkt, muss in nach einem dreistufigen System vorgegangen werden:

  1. Versuchen Auszuweichen

  2. Schutzwehr (rein defensive Handlungen)

  3. Trutzwehr (auch offensive Handlungen erlaubt)


Wird ein Angreifer durch den Verteidiger im Rahmen der Notwehr verletzt, so ist der Verteidiger nicht verpflichtet ihm Erste Hilfe zu leisten. Dies gilt nicht, wenn der Verteidiger, dem Angreifer gegenüber, auch vor dem Angriff schon eine Garantenstellung innehatte (Polizeibeamte, Rettungsdienstmitarbeiter, Feuerwehrleute, Ehepartner etc.) (BGH, 29.07.1970 - 2 StR 221/70)




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